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Ja, es macht Spaß - Beate G. über ihr Ehrenamt beim ambulanten Hospizdienst

Als ich vor zwei Jahren eine Fortbildung für Führungskräfte besuchte, kam ich zum ersten Mal ins stationäre Hospiz in Halle. Im Rahmen des Seminars, das für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst durch die Staatskanzlei angeboten wurde, ging es darum, etwas anderes zu wagen und sich in einem einwöchigen Praktikum neuen Erfahrungen zu stellen. Zur Auswahl standen die Bahnhofsmission, Justizvollzugsanstalten, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung und das Hospiz. Ich entschied mich für letzteres, weil ich dort den größten Abstand zu meiner Komfortzone erwartete. Denn auch, wenn ich mich schon länger für das Hospizthema interessiert habe, stellte ich es mir als einen leicht grauen, tristen und traurigen Ort vor.

20210215 Beate Genetzke

Ich lag  zwar sehr falsch. Anstelle meiner düsteren Vorstellung, erwartete mich ein Ort, in dem Patienten Gäste heißen, in dem die Pfleger und Schwestern Zeit haben und die Hauswirtschaftlerin jeden Tag frisch kocht. Einmal in der Woche wurde deckten Ehrenamtliche eine Kaffeetafel für die Gäste und ihre Angehörigen und man aß Kuchen, unterhielt sich und lachte.

Ich war so begeistert von der Arbeit dort, dass ich mich beim ambulanten Hospizdienst vorstellte, um ehrenamtlich tätig sein zu können. Nach einem Vorbereitungskurs, in dem ich nicht nur den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer, sondern vor allem mit mir selbst lernte, war ich so weit und konnte Menschen am Lebensende begleiten.

Ich erinnere mich an Frau J.: Wir lernten uns im stationären Hospiz kennen, das sie aber wieder verließ, um im Pflegeheim zu leben. Am Anfang war Frau J. kritisch. Sie fragte: „Wer sind Sie, was wollen Sie und was kostet das?“. Nachdem das geklärt war – „Ich komme zu Ihnen, wenn Sie das mögen, habe Zeit, bin einfach da und es kostet nichts“ - besuchte ich sie einmal pro Woche. Meist wartete sie schon im Rollstuhl auf mich und wir gingen einkaufen, Bockwurst oder Eis essen und unterhielten uns an der frischen Luft. Ihre Tochter musste arbeiten und hatte nicht immer Zeit. Durch meinen Einsatz hatte Frau J. einen Tag in der Woche, an dem sie sonst allein gewesen wäre. Ein bisschen Gesellschaft und Abwechselung.

Als ich sie das letzte Mal sah, hatte sie kaum noch Kraft. Sie starb dann ein paar Tage später. Das war in Ordnung für mich, denn ich wusste von Anfang an, wo der Weg hinführt. Im Ehrenamtskurs hat man uns gut auf den Abschied von Menschen, die wir begleiten, vorbereitet. Das hat mir geholfen.

Der Kurs war sehr bereichernd, da ich dort Menschen kennenlernte, von denen ich mich scheinbar sehr unterschied. Doch die Idee, etwas zurückzugeben, für andere Menschen da sein zu wollen, verband uns. Ich lerne gern Menschen kennen und bin kommunikativ. Diese Fähigkeiten kann ich in meinem Ehrenamt gut einbringen.

Mein Umfeld hat ganz neugierig auf meine Entscheidung reagiert. Sie haben Fragen gestellt, oft jedoch kam aber auch der Nachsatz: „Also, ich könnte das nicht.“ Vielleicht liegt es daran, dass die Menschen noch die Bilder im Kopf haben, die ich zu Beginn auch hatte. Vielleicht wissen zu wenige, dass das Hospiz ein heller und freundlicher Ort ist. Und dass das Lebensende nicht unbedingt mit Siechtum verbunden ist, sondern noch einige gute Stunden bereithält. Ich mag es, diese ermöglichen zu können.

Das Ehrenamt im ambulanten Hospizdienst würde ich immer weiterempfehlen: Es ist eine große Herausforderung, sich auf etwas Neues einzulassen und auch an sich selbst zu arbeiten. Aber vor allem macht dieses Ehrenamt, auch wenn es was mit dem Tod zu tun hat, Spaß. Man sieht einfach, dass diese Arbeit Sinn hat.

Heinrich-Pera-Hospiz Halle (Saale) gGmbH